Risiken der Polymedikation mit Hilfe der Apotheke vor Ort minimieren
Hannover, 19.10.2021 – Mehr als acht Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker leben in Deutschland, davon sind 96 Prozent an Typ-2-Diabetes erkrankt. Besonders davon betroffen sind übergewichtige Menschen. Die Erkrankung wird oft durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung ausgelöst. Und Diabetes Typ 2 kommt selten allein: Vor allem Patient:innen jenseits des 40. Lebensjahres leiden zusätzlich an Bluthochdruck und einem hohen Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie). Diese Begleiterkrankungen erfordern die Einnahme unterschiedlicher Medikamente. Um die Neben- und Wechselwirkungen möglichst gering zu halten, sollten sich Betroffene in der Apotheke vor Ort zur richtigen Anwendung und Einnahme beraten lassen. Die Arzneimittelexpertinnen und Arzneimittelexperten können kritische Interaktionen erkennen, die Medikation in Abstimmung mit der Ärztin oder dem Arzt optimieren, eventuelle Risiken aufdecken und minimieren und die Patient:innen bei der wichtigen Therapietreue unterstützen, weiß die Apothekerkammer Niedersachsen.
Diabetes Typ 2 entwickelt sich schleichend
Kann die Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend oder kein Insulin mehr produzieren, entsteht Diabetes. Der Typ-1-Diabetes tritt als Folge einer Autoimmunerkrankung auf. Im Fall des Diabetes Typ 2 führt meist der Lebensstil zur Entstehung der Krankheit. Es kommt wegen des erhöhten Blutzuckerspiegels zu einer vermehrten Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Gleichzeitig verringert sich jedoch die Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin, bis zur Insulinresistenz. Der Blutzuckerspiegel bleibt hoch. Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse müssen immer mehr Insulin produzieren, bis sie im Wettlauf um die Absenkung der Glukosekonzentration im Blut die Fähigkeit zur Insulinproduktion verlieren. Während Diabetes Typ 1 meist im Kindesalter entsteht, entwickelt sich Diabetes Typ 2 in der Regel über Jahre und beginnt häufig mit einer Stoffwechselveränderung, dem sogenannten metabolischen Syndrom, zu dem auch ein überhöhter Insulinspiegel (Hyperinsulinämie) gehört.
Apotheker:innen unterstützen Patient:innen bei der Therapie
Typ-1-Diabetes wird in vielen Fällen mit Insulin therapiert, oft mit der sogenannten intensivierten Insulintherapie zum Beispiel über eine Insulinpumpe. Patient:innen mit Diabetes Typ 2, bei denen die Krankheit noch gering ausgeprägt ist, sollen im ersten Schritt Gewicht reduzieren und dafür ihre Ernährung umstellen. Gehen die erhöhten Blutzuckerwerte trotz dieser Maßnahme nicht zurück, wird eine Therapie mit oralen Antidiabetika wie Metformin begonnen. Schreitet die Erkrankung weiter fort, wird frühzeitig mit weiteren Medikamenten oder Insulin weitertherapiert. Auf diese Weise lässt sich die körpereigene Insulinproduktion noch längere Zeit aufrechterhalten – bei einer günstigen Entwicklung kann sie sogar wieder ansteigen.
Interaktionsrisiken vermeiden
Vor allem bei Verordnungen mehrerer Fachärzt:innen kommt den Apotheker:innen eine besondere Rolle zu: In der Stammapotheke können Verordnungen hinsichtlich Wechselwirkungen verschiedener Medikamente überprüft werden. Der/Die Apotheker:in kann so bestimmte Symptome einordnen. So können Unruhe, Herzklopfen, Angstgefühl, Übelkeit, Zittern, Heißhunger und Schwitzen auf eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) hindeuten, die durch eine Überdosierung von Insulin in Kombination mit anderen Diabetes-Medikamenten ausgelöst werden und zu einem Blutzuckerabfall führen.
Wechselwirkungsbeispiel: Diabetes und Blutdruckmedikamente
Bei einer koronaren Herzkrankheit oder nach einem Herzinfarkt bekommen Patient:innen häufig Betablocker verschrieben. Leiden diese Patientengruppen auch an Diabetes und damit einhergehenden Hypoglykämien, mobilisiert der Körper aus Muskel- und Leberzellen Glukose, um so den Glukosespiegel im Blut zu erhöhen. Betablocker können die Wirkung von Insulin verstärken und führen so zu einer verstärkten Blutzuckersenkung. Auch die Symptome einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) können von Betablockern verschleiert werden, sodass die Symptome missdeutet und falsch oder gar nicht behandelt werden. Einige Medikamente oder Medikamentenkombinationen erhöhen die Gefahr von Hypoglykämien. Diabeteskranke sollten ihre Blutdrucksenker jedoch nicht eigenmächtig absetzen: Werden alle Werte regelmäßig geprüft, können auch mögliche Risiken rechtzeitig erkannt werden.
Wechselwirkungsbeispiel: Diabetes und Kortison
Auch bei einer Kortison-Therapie müssen Diabeteskranke vorsichtig sein, denn Kortison schwächt die Wirkung von Insulin ab und kann bei einem beginnenden Diabetes sogar zum Fortschreiten der Erkrankung beitragen. Kortison vermindert die Glukoseaufnahme in die Zellen und mobilisiert gleichzeitig verstärkt Glucose. Das kann zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führen. Müssen Patient:innen längere Zeit Kortison anwenden, sollte die Therapie gut überwacht und möglicherweise angepasst werden. Bei kurzfristiger Einnahme von niedrig dosiertem Kortison normalisiert sich der erhöhte Glukosespiegel im Blut einige Tage nach dem Ende der Kortison-Einnahme.
Fünf Tipps für mehr Lebensqualität
Patient:innen können viel für die eigene Lebensqualität tun. Unterstützt werden sie durch die Apotheke vor Ort. Sie ist eine niedrigschwellige, wohnortnahe Anlaufstelle für alle Gesundheitsfragen und bietet von wichtigen Einnahmehinweisen für die Arzneimittel, Hilfe bei der Anwendung von Insulinen und der Benutzung von Insulinpens sowie der Durchführung von Blutzuckermessungen hilfreiche Unterstützung bei der Therapie.
- Die verordnete Therapie einhalten. Patient:innen, die sich in ihrer Apotheke aktiv über die Entstehung und die Auswirkungen des Diabetes informieren, halten ihre Therapie besser ein. Außerdem unterstützt die Apotheke Patient:innen sachkundig bei der richtigen Anwendung der Medikamente, bei Blutzuckermessungen und der Handhabung von Insulinpens.
- Ausgewogen und gesund ernähren. Die Ernährung sollte auf die Therapie abgestimmt sein und umgekehrt.
- Blutzucker und Gewicht kontrollieren. Glukose wird aus allen stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln und Getreideprodukten langsam während der Verdauung freigesetzt. Süßigkeiten lassen den Blutzucker rasch ansteigen, da die Glucose nicht erst aus Stärke freigesetzt werden muss. Die daraus resultierende Insulinausschüttung lässt den Blutzucker schnell wieder abfallen. Die dann entstehende Hypoglykämie erzeugt wiederum Verlangen nach Süßem.
- Bewegen. Bewegen. Bewegen. Ausreichende Bewegung wirkt sich positiv auf das Körpergewicht und das allgemeine Wohlbefinden aus. Patient:innen sollten daher regelmäßige Sporteinheiten oder Spaziergänge in ihren Alltag einplanen.
- Zielparameter anpeilen. Die Blutdruckwerte, der HbA1c-Wert (Langzeitblutzucker) und der Body-Mass-Index (BMI) sollten regelmäßig kontrolliert werden. Patient:innen können sich über diese Werte in der Apotheke vor Ort beraten lassen.
Die Einhaltung dieser Therapiepunkte vermeidet Langzeitschäden und bewirkt eine verbesserte Lebensqualität.
Weitreichende Folgeschäden
Die Entstehung von Diabetes Typ 2 ist sehr häufig mit dem metabolischen Syndrom assoziiert. Als Folgeerkrankungen treten Durchblutungsstörungen in den Extremitäten auf, die bis zu Amputationen führen können. Auch die inneren Organe können geschädigt werden wie zum Beispiel die Nieren bis hin zum Nierenversagen und Schädigung der Augen mit eingeschränkter Sehkraft bis hin zur Erblindung. Insulin ist ein anaboles (aufbauendes) Hormon und bewirkt auch bei dauerhaft überhöhter Glukoseaufnahme eine vollständige Verwertung der Glukose, was zu erheblichem Übergewicht mit massiven Schäden für den Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System sowie zu Fettstoffwechselstörungen führt.
Das menschliche Gehirn kann zur Energiegewinnung ausschließlich Glukose verwerten, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Folglich ist das Gehirn bemüht, durch Appetit auf Süßes für eine ausreichende Glukosezufuhr zu sorgen. Da viele glukosehaltige Lebensmittel wie zum Beispiel süße Getränke, Bonbons oder Schokoladenprodukte nicht für eine spürbare Sättigung sorgen, kommt es bei Überfluss an Süßwaren leicht zu einer überhöhten Glukoseaufnahme, die zu einem starken Anstieg der Insulinausschüttung führt, gefolgt von einem Abfall des Blutzuckerspiegels (Hypoglykämie), und dann das Hungergefühl verstärkt (Heißhungerattacke). Wird bei Diabeteskranken die Hypoglykämie durch eine überhöhte Insulingabe ausgelöst, kann diese zur Ohnmacht oder sogar zum Tod führen. Sinkt der Blutzucker stark ab, ist deshalb die Einnahme von Traubenzucker lebensrettend, den die Betroffenen immer bei sich haben sollten.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.800 Mitglieder an. Die Apothekerin und der Apotheker sind fachlich unabhängige Heilberufler:innen. Die Gesetzgebende hat den selbstständigen Apotheker:innen die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwerben die Studierenden Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhalten die Apotheker:innen eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung können sie eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist:innen für Gesundheit und Prävention beraten die Apotheker:innen kompetent und unabhängig. Apotheker:innen begleiten Patient:innen fachlich, unterstützen menschlich und helfen so, die Therapie im Alltag umzusetzen.
Diese Pressemitteilung finden Sie auch unter www.apothekerkammer-nds.de.
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Quelle: Apothekerkammer Niedersachsen